Zur Realisierung signifikanter Fortschritte in der Digitalisierung von Materialien ist eine enge Koordination aller Partner und Stakeholder und eine hohe Kohärenz der einzelnen Maßnahmen wichtig. Durch die Umsetzung dieses Konzepts soll ein standardisierter und über Domänengrenzen hinweg funktionierender Austausch von Daten, Wissen und Werkzeugen für die Digitalisierung der Materialien erreicht werden. Die Dynamik in der Digitalisierung, die Vielzahl der verschiedenen Bedarfe und relevanten Stakeholder machen es notwendig, in kurzen Takten zu reagieren und Veränderungen positiv und offen gegenüber zu stehen. Ein effizientes Management muss sich daher neuer agiler Ansätze bedienen und eine entsprechende responsive Organisationsform wählen.
Die Plattform unterstützt die Identifizierung der wesentlichen Schlüsselaufgaben, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung der Materialien relevant sind. Eine wichtige Komponente ist hierbei eine auf alle relevanten Stakeholder ausgerichtete Öffentlichkeitsarbeit, die sowohl themen- wie auch adressatenspezifisch über die Arbeiten der Plattform informiert und andererseits Informationen zur Weiterentwicklung des Feldes aufnimmt, bündelt und weitergibt. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit des Gesamtprojekts unterscheidet die Plattform dabei zwischen Aufgaben, die in Projekten der Stakeholder unterschiedlicher Konstellation umgesetzt werden können, und strukturellen Schlüssel- und Service-Aufgaben, die als Enabler eine Umsetzung der Projekte in einem standardisierten Umfeld befördern und beschleunigen sollen. Auf Basis eines ganzheitlichen Konzeptes, das sowohl strukturierende Elemente wie auch Werkzeuge umfasst, entwickelt die Plattform über die Förderperiode hinausgehendes nachhaltiges Geschäftsmodell für die wirtschaftliche Anschlussfähigkeit der Plattform.
Darüber hinaus organisiert die Plattform einen Technologie-Hub, der Partnern im Gesamtprozess Werkzeuge für die Realisierung der Digitalisierung von Materialien zur Verfügung stellt. Die technische Infrastruktur zur Realisierung dieses Hubs muss von den Partnern der Plattform oder im Auftrag im ersten Jahr der Förderung erarbeitet und während der Laufzeit des Vorhabens ausgebaut gepflegt und unterstützt werden. Die technische Realisierung des Hubs muss so durchgeführt werden, dass den Bedürfnissen insbesondere der industriellen Nutzer Rechnung getragen wird.
Der Plattform ist ein vom BMBF einberufener, industriell besetzter Managementkreis beigeordnet. Er soll die Fokussierung der Aktivitäten im Projekt auf den maximalen industriellen Nutzen gewährleisten und einen optimalen Transfer der Ergebnisse in die Anwendung sicherstellen. Der Managementkreis tagt ein- bis zweimal jährlich gemeinsam mit den Mitgliedern der Plattform und wird in die Workshops des Vorhabens eingebunden.
Die Mitglieder der Plattform, der Managementkreis und Repräsentanten der Projekte erarbeiten gemeinsam eine kontinuierlich fortschreibbare Roadmap für die Digitalisierung der Materialien, die sowohl relevante Forschungsthemen, wie auch den Transfer in die Anwendungen und die wirtschaftliche Nutzung berücksichtigt. Diese Roadmap berücksichtigt sowohl die nationale Strategie wie auch internationale Entwicklungen, insbesondere auf europäischer Ebene. Die Plattform unterstützt die Digitalisierung der Materialien durch die regelmäßige Veröffentlichung der Roadmap. Die Roadmap wird mit den Akteuren der Community sowie Verbänden diskutiert und reflektiert. Ziel ist die Entwicklung einer einheitlichen Roadmap für die nationale Strategie mit internationaler Reichweite, die dann mit den Stakeholdern fortgeschrieben werden kann.
Sowohl für die experimentelle als auch simulationsgestützte digitale Beschreibung von Materialien spielen Verfahren der Datenanalyse eine tragende Rolle, sind aber bislang wenig strukturiert. Die Plattform soll zu einer standardisierten Beschreibung von Datenverarbeitungsverfahren in der Materialforschung beitragen. Ziel ist hierbei die Qualitätssicherung der Verfahren und der Output-Daten, die Erfassung und Definition ihrer Genauigkeit wie auch der Interoperabilität zwischen Anwendungen.
Datengetriebene Verfahren der Materialforschung profitieren enorm von der Nutzung von Daten aus unterschiedlichen Quellen. Deren Zusammenführung setzt eine Standardisierung von Datenformaten, maschinenlesbaren Metadaten und den extrahierten Informationen voraus. Angesichts der Fülle unterschiedlicher Datenquellen und deren Breite müssen eine spezifische Strukturierung der Daten und zugehörige Metadaten und Informationen durch die jeweiligen Domänenexperten erarbeitet werden. Um die internationalen Fortschritte in der Material- und Werkstoffforschung und die international fragmentierten Wertschöpfungsketten in der Industrie berücksichtigen zu können, ist eine weltweite Austausch- und Vernetzbarkeit – Interoperabilität - notwendig. Ein eigener nationaler Ansatz für eine Ontologie und Standardisierung der Beschreibung von Materialdaten macht daher keinen Sinn, weshalb die Initiative von Beginn an eng mit beispielsweise europäischen Initiativen wie dem European Materials Modelling Council (EMMC) zusammenarbeiten möchte. Deutschland kann aber hier eine Führungsrolle einnehmen und der deutschen Industrie damit einen wertvollen Vorsprung als Vorreiter verschaffen.
Die Standardisierung von Modellen und darauf aufbauend Analyseverfahren und Simulationsverfahren ist ein wichtiges Element in der digitalen Materialentwicklung. Für Simulations-Modelle kann dieses Vorhaben dabei auf die Modell-Klassifikation des European Materials Modeling Councils (EMMC) zurückgreifen, die auf der Basis der zugrunde liegenden physikalischen Gleichungen erfolgt ist. Diese wegweisenden Anstrengungen wurden u. a. durch Mitarbeiter des Fraunhofer IWM getragen und in Software-Werkzeuge übersetzt und damit für die ganze Community verfügbar und anwendbar gemacht. Ein analoges Ordnungskriterium für datenbasierte Modelle muss unter Einbeziehung aller Stakeholder noch erarbeitet werden, wozu diese Initiative beitragen kann. In jedem Fall muss der (gesicherte) Einsatzbereich der Modelle spezifiziert werden und diese damit selbst klassifiziert werden.
Datenanalyse und Werkstoffmodelle basieren beide auf elementaren algorithmischen Bausteinen. Viele dieser elementaren Algorithmen müssen direkt an den Daten und auf den Rechnern ausführbar sein, die diese bereitstellen. Die Plattform MaterialDigital wird dafür Algorithmen als vertrauenswürdiger Bereitsteller (trusted host) allen Nutzern zur Verfügung stellen.
Mit der Etablierung des operativen Kerns der Plattform werden die potentiellen Interessenten auf der Anbieter- sowie auf der Abnehmerseite zu einer aktiven Mitwirkung eingeladen. Diese Kontakte sollen auf der Management- und auf der operativen Ebene der jeweiligen Organisationen / Institutionen erfolgen, um Akzeptanz auf allen Ebenen zu erzeugen. Workshops und Treffen sollen möglichst themenspezifisch abgehalten werden, damit konkrete Aspekte einer Branche bzw. einer Materialklasse adressiert werden können. Von großer Bedeutung wird hier die enge Zusammenarbeit mit den technisch-wissenschaftlichen Gesellschaften sein, die über breitgefächerte Kontakte auf ihren Gebieten sowie über eine langjährige Erfahrung in der Netzwerkbildung verfügen. Die Plattform dient dabei als ‚Single Point of Contact‘ um die Aufnahme und Bearbeitung von Anfragen potentieller Anwender zu kanalisieren; die Stakeholder können ihre Anfragen problem-orientiert stellen und durch die Plattform mit den entsprechenden Experten in Kontakt gebracht oder zu schon existierenden Lösungswegen geleitet werden
Im Rahmen von Tagungen, Ausstellungen und Messen wird die Plattform als Innovationsmotor insbesondere für klein- und mittelständische Unternehmen aktiv vorgestellt. Über diese Veranstaltungen sollen auch Jobsuchende Experten und Unternehmen zusammengebracht werden. Die Digitalisierung der Materialien ist nicht auf nationale Grenzen beschränkt; ein hoher Vernetzungsgrad mit vergleichbaren Initiativen auf europäischer und globaler Ebene wird angestrebt, wobei wir für die hier geplante Initiative eine Schrittmacherfunktion anstreben.
Über die Erarbeitung von gemeinsamen Standards hinaus ist eine wichtige Aufgabe des Projekts die Bereitstellung von Werkzeugen, die den potenziellen Nutzern eine effiziente Mitwirkung an der Initiative auf einer einheitlichen Basis überhaupt erst ermöglicht. Darüber hinaus ist die Bereitstellung von Werkzeugen hochrelevant für die wirtschaftliche Anschlussfähigkeit des Projekts insgesamt. Die Plattform wird einen essentiellen Kern von Software-Tools erarbeiten und den Partnern der Projekte als Nukleationspunkt für eine gemeinsame Software-Plattform bereitstellen. Diese Arbeiten werden zum Teil von den Partnern der Plattform durchgeführt oder als Auftrag vergeben. Zentrale Anlaufstelle für die Koordination und für den Austausch von Informationen wird eine Webseite der Plattform MaterialDigital auf der allen Interessierten die erarbeiteten Ergebnisse zugänglich gemacht werden.
Die Plattform MaterialDigital wird die Entwicklung von standardisierten Software Tools für die Generierung, Speicherung, das Management, die Analyse und Verteilung der Materialdaten koordinieren und vorantreiben. Ziel dieser Aktivitäten ist es, sowohl Anbietern von Daten- und Dienstleistungen aber auch den industriellen Nutzern einen standardisierten, flexiblen und leicht zu bedienenden Werkzeugkasten zur Umsetzung von Digitalisierung-Projekten bereitzustellen. Bei der Entwicklung dieser Tools wird der großen Breite der materialwissenschaftlichen Fragestellungen, der Vielzahl verfügbarer Datenquellen und Simulations- und Analyseverfahren, aber auch der dynamischen Entwicklung des Feldes Rechnung getragen. Um eine Aufnahme in industrielle Prozesse zu ermöglichen, wird schon beim Design der Tools auf die Interessen der industriellen Nutzer im Hinblick auf die Vertraulichkeit und Sicherheit ihrer Daten und Abfragen geachtet.
Diese Anforderungen an Flexibilität und Vertraulichkeit kann von einem zentralen Datenserver der alle Daten an einer Stelle speichert und verarbeitet nicht realisiert werden. Die Infrastruktur der Plattform MaterialDigital wird daher durch ein Netz von dezentralen Datenservern, die jeweils von einer lokalen institutionellen oder industriellen Forschungsgruppe betrieben werden, realisiert. Das lokale Hosting ist eine Grundvoraussetzung um Industriepartner frühzeitig einzubinden und ihren Ansprüchen an Vertraulichkeit ihrer Daten gerecht zu werden. Die dezentralen Server können von einem zentralen Server angesprochen werden, der von der neutralen Plattform MaterialDigital gehostet und administriert wird. Der zentrale Server stellt bei einer Anfrage nicht lediglich die Links zu den relevanten Datenservern zur Verfügung sondern ermöglicht dem Nutzer, aktive Softwareagenten einzusetzen. Diese Agenten laufen nach Freigabe durch den Besitzer auf den lokalen Servern, aggregieren oder prozessieren die Daten und stellen dem externen Nutzer einen neuen Datensatz zur Verfügung. Dieser Ansatz gibt den Anwendern eine völlig neue Qualität auf dislozierte Materialdaten zuzugreifen um bisher unzugängliche Korrelationen sichtbar zu machen. Der Anwender muss nicht aufwendig auf die einzelnen Server zugreifen, die Daten herunterladen und sie auf seinem lokalen Rechner analysieren, sondern kann dies in einem einzigen Schritt mit einem Agenten realisieren. Ein wichtiger Vorteil dieses Agenten-basierten Ansatzes ist auch, dass er unmittelbar den Einsatz moderner Methoden des Machine Learning oder Data Mining für materialwissenschaftliche Fragestellungen auf wesentlich größeren Datensätzen ermöglicht.